Trauma-Biografie

Meist setzt man sich erst dann mit sich auseinander, wenn die eigenen Trauma-Überlebensstrategien nicht mehr greifen. Im ersten Moment fühlt sich diese Situation als großer Schrecken an, weil man mit dem alltäglichen Leben scheinbar nicht mehr zurechtkommt, oder eine Krankheit nicht mehr weicht. Mittelfristig kann sich dies als guter Weg erweisen, will man aus dem "Überleben" ins eigene Leben kommen.

 

In der Auseinandersetzung mit sich wird es dann notwendig, die vertraute Komfortzone zu verlassen - die ja dann meist schon keine mehr ist - die eigene Trauma-Landschaft zu betreten und sich seinem bisherigen Leben, seinen aktuellen Gefühlen zu stellen.

 

Oft zeigt sich dann, dass es sich nicht nur um eine traumatische Erfahrung handelt, die scheinbar das Leben massiv beeinträchtigt, sondern man ist konfrontiert mit seiner Trauma Biografie. Diese wird von Prof. Franz Ruppert nachfolgend beschrieben: Trauma der Identität - nicht gewollt, Trauma der Liebe - nicht geliebt, Trauma der Sexualität - nicht geschützt und in Konsequenz - wird dieser Kreislauf nicht unterbrochen - in einem Trauma der eigenen Täterschaft.

 

Das Trauma der Identität findet seinen Anfang meist vorgeburtlich. Dieses - für manche Menschen -"Abenteuer auf Leben und Tod" beginnt mit der Einnistung der Eizelle in der Gebärmutter. In diesem Fall ist die Gebärmutter kein Ort, in dem der neue Mensch willkommen geheißen wird, sondern sie gleicht mehr einer Todeszelle, in der abgewartet wird, ob sich die Mutter für ein Ja oder ein Nein zum Kind entscheidet. Die erste Spaltung folgt. Das erste Überlebens-/Anpassungs-Ich entsteht, um der Mutter, dem Vater, der Umgebung so wenig wie möglich zur Last zu fallen. 

 

Hat es nun dieses Kind geschafft, das Licht der Welt zu erblicken, schließt sich, in einem traumatischen Umfeld, oftmals das nächste Trauma, das Trauma der Liebe, an. Der Fokus des Babys, des Kleinkindes muss dann im Außen liegen, um zu überleben. Manchmal geht die Außenorientierung so weit, dass sogar die Traumagefühle der Mutter (oder anderer Bezugsperson/en) übernommen werden. 

 

Meist kann dann das Kind nicht mehr unterscheiden zwischen den eigenen Gefühlen und denen der Mutter, mit welchen es sich verstrickt. Dieser Mensch bleibt, zumindest ein Teil von ihm, in der Kindheit stecken und wird nicht erwachsen. 

 

Die Mutter ist die Welt des Babys, des Kindes. Leider gibt es aber auch Mütter die ambivalent sind, oder die ihr Kind  sogar in der Tiefe ihres Herzens ablehnen. Dieser fundamentale Widerspruch, diese im Grunde genommene fundamentale Grausamkeit, geht zu Lasten der psychischen und in der Folge daraus meist auch zu Lasten der physischen Gesundheit dieses wunderbaren Wesens.

 

Die Saat ist in einem Menschen früh angelegt. In diesem Fall ist es eben nicht möglich auf sich zu schauen, auf die eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Ziele und sich entsprechend seiner Natur zu entwickeln. Es besteht die Notwendigkeit, sich im Außen - oft wettbewerbsmäßig - zu orientieren. Dieses Verhalten kann sich auf alle Lebensbereiche erstrecken: wie die Familie, die Geschwister, die Partnerschaft, Freundschaften, den Beruf.

Und wenn man tiefer schaut, geht es letztlich um den Wunsch

"... von Geist und Herz eines liebevollen, eingestimmten und selbstbeherrschten Anderen verstanden zu werden und darin geborgen zu sein." Diana Fosha

Liegt dann, oft transgenerational, emotionaler und/oder sexueller Missbrauch - Trauma der Sexualität - in der Familie, wird es zu diesem wahrscheinlich kommen. 

 

Ein traumatisierter Mensch hat, wenn er nicht in der Lage ist, sich mit seiner Geschichte in einer guten Form auseinanderzusetzen, den Schmerz zu spüren, der unter allem liegt, eine starke Veranlagung selbst zum Täter zu werden - das Trauma der eigenen Täterschaft greift Raum. Der Kreis schließt sich.

Trauma der Identität - nicht gewollt

Trauma der Liebe - nicht geliebt

Trauma der Sexualität - nicht geschützt

Trauma der eigenen Täterschaft